Finanzielle Freiheit ist kein abstrakter Begriff, sondern hat für jeden einzelnen eine konkrete Ausprägung. Finanzielle Freiheit bedeutet in ihrem Kern, dass sämtliche Kosten durch arbeitsloses Einkommen abgedeckt werden können.

Ich sage jetzt nicht, dass das Ziel für jeden von Ihnen sein muss, den eigenen Job möglichst schnell kündigen zu können und nur mehr vom arbeitslosen Einkommen zu leben. Es mag ja durchaus so sein, dass Sie Ihren Job sehr gerne tun. Dennoch beobachte ich die Tendenz von vielen, v.a. unselbständig Beschäftigten auf den Ruhestand zuzusteuern. Dabei werden zwei Aspekte vergessen, die meines Erachtens zentral sind:

  • Selbst ein Job, den man sehr gerne macht, muss man nicht notwendigerweise >40 Stunden pro Woche und 47 Wochen pro Jahr ausüben – finanzielle Freiheit kann also dabei helfen selbst eine geliebte Tätigkeit in dem Ausmaß zu betreiben, wie sie zu den persönlichen Prioritäten passt. Das kann Raum für Familie, Sport, Hobbies, Reisen, Kunst & Kultur, etc. schaffen
  • Das Hinarbeiten auf die Pension hat in den kontinentaleuropäischen, umlagegetriebenen Pensionssystemen den Haken, dass Pensionsantrittsalter und Pensionshöhe wesentlich von politischen Entscheidungsträgern gestaltet werden. Auf Grund der zunehmend alternden Bevölkerung gehe ich fest davon aus, dass in den nächsten Jahren das Pensionsantrittsalter deutlich steigen wird und die Pensionshöhe auf das Niveau auf einer Volkspension/Mindestpension abgesenkt werden wird – finanzielle Freiheit kann dieses Risiko bekämpfen. Die Aussicht auf eine Pension von €1.000,- ab dem Alter von 70 Jahren würde ich nämlich nicht als finanzielle Freiheit bezeichnen.

Wann ist nun finanzielle Freiheit erreicht? Nehmen Sie Papier und Bleistift zur Hand und stellen Sie folgende Rechnung an. Erfassen Sie dabei die laufenden, monatlichen Kosten Ihrer Familie:

  1. Wohnen – sowohl die laufende Kosten z.B. Miete oder Darlehensrückzahlung und Betriebskosten, als auch eine Rücklage für erforderliche Investitionen, z.B. Umbauten oder Sanierungsmaßnahmen
  2. Auto inkl. Leasingrate oder Abschreibung/Rücklage für Neuanschaffung, Versicherung, Treibstoff, Maut, Service/Reparatur, etc.
  3. Versicherungen
  4. Lebensunterhalt, insb. Einkäufe, Nahrungsmittel, auswärts Essen, etc.
  5. Kosten für Kindergarten, Schule und Ausbildung der Kinder
  6. Kosten für erforderliche Anschaffungen, wie zum Beispiel Kleidung, Einrichtung, Gebrauchsgegenstände, etc.
  7. Kosten für Urlaub/Reisen
  8. Spenden
  9. = Zwischensumme der monatlichen Kosten
  10. + 30% pauschaler Aufschlag – Sinn und Zweck dieses Aufschlags ist einerseits für Unvorhergesehenes vorzusorgen, andererseits werden Ihre Kosten steigen, sobald sich Ihre finanzielle Freiheit in mehr Freizeit übersetze, ich denke an Zeit für Reisen, Hobbies, auswärts Essen, etc.
  11. = Zwischensumme der erhöhten monatlichen Kosten
  12. x 12
  13. Jährliche, abzudeckende Kosten

Wenn Sie jährlich diesen Betrag zur Verfügung haben, können Sie davon ausgehen, dass Sie Ihre finanzielle Freiheit erreicht haben!

Durch diese Berechnung können jedoch einige Fragen auftreten, auf die ich kurz eingehen möchte. Erstens kann es sein, dass Sie diese Berechnung nicht vollständig anstellen können, da Sie keine Transparenz zu den genannten Kosten haben. In diesem Fall rate ich Ihnen für einen gewissen Zeitraum Buch über Ihre Ausgaben zu führen oder die Zahlungen auf Ihrem Konto/Ihrer Kreditkarte auszuwerten. Zweiten könnten Sie erschreckt feststellen, dass die abzudeckenden Kosten höher als Ihr derzeitiges Familieneinkommen sind. Das möge ein Weckruf für Sie sein, dass Sie nicht in Richtung finanzielle Freiheit unterwegs sind. Ich werde auf beide genannten Punkte in zukünftigen Blogbeiträgen ausführlich eingehen.

Ein Amerikanisches Bankhaus bewarb seine Wealth Management Produkte mit dem Slogan “Know you number”. Ziel war mit einem Online-Tool jenen Betrag zu errechnen, der welcher ausreicht um von den Erträgen leben zu können. Das ist ein möglicher Zugang, jedoch vergisst diese Betrachtung wesentliche Punkte. Sie geht nämlich davon aus, dass ausschließlich finanzielle Assets als Quelle passiven Einkommens herangezogen werden. Zudem ist die Berechnung hoch sensitiv was die angewandten Zinssätze für erwartete Erträge betrifft (sowohl in der Anspar- als auch in der Verzehr-Phase). Schließlich wird meines Erachtens nicht ausreichend auf die jährlich abzudeckenden Kosten lt. obiger Berechnung eingegangen.

Zum Abschluss möchte ich noch eine persönliche Frage beantworten, die Sie vielleicht interessiert: Habe ich selbst finanzielle Freiheit erreicht? Nein. Ich gehe aber davon aus, dass dies in den nächsten fünf bis sieben Jahren gelingen wird. Ich bin 34 Jahre alt, insofern sollte es nicht bis zum genannten Pensionsantrittsalter von 70 Jahren dauern.

23 thoughts on “Was bedeutet finanzielle Freiheit?

  1. Für die eigene finanzielle Freiheit vorsorgen ist eine schöne Sache, nur die wenigsten der heute unter 30 Jährigen weiß aber die eiegen Situation einzuschätzen. Bspw. verstehen die meisten ihren Rentenbescheid nicht geschweige denn sie haben einen Finanzplan. Schließlich soll dieser beinhalten, wie man die Kosten (auch bei finanzieller Freiheit) decken möchte. Da die finanzielle Freiheit bzw. die Rente bei vielen wie auch bei mir noch in weiter Ferne liegt, sollte auch auf die Nachhaltigkeit der Kosten geachtet respektive hingewiesen werden. Dein Artiekl spiegelt meine Auffassung wie in diesem Artikel -RENTENBESCHEID UND DIE FATALEN FOLGEN (http://www.clever-und-erfolgreich.de/rentenbescheid-und-die-fatalen-folgen/)- ungefähr wieder. Die Frage ist, wer kann sich einen evtl. Aufschlag von 30% auf die Kosten Leisten. Viele leben aus der Hand oder mal so, dass die Einnahmen die Kosten gerade mal decken ohne etwaige Rücklagen.

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    1. Hallo Sandro,
      Danke für Deinen Kommentar und auf den Hinweis auf CLUE-Artikel!
      Ich teile Deine Einschätzung, dass sich viel zu wenige des Ernstes der Lage bewußt sind. Es war und ist eines der Ziele meines Blogs, hier Aufklärungsarbeit zu leisten. Insgesamt nehme ich allerdings einen wesentlich radikaleren Ansatz als nur auf eine vermeintliche Versorgungs-Lücke bei Rentenantritt mit 65+ (wird es dabei bleiben?) zu schließen.
      Freue mich, wenn Du meinem Blog folgst und Ansätze zur finanziellen Freiheit verfolgst um genau das, was Du beschreibst, zu verhindern, nämlich aus der Hand in den Mund zu leben und mit den Einnahmen gerade mal die Kosten abzudecken und keine Rücklagen zu haben.
      Viele Grüße und viel Glück
      FF

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  2. Hallo, ich habe die finanzielle Freiheit schon erreicht und ich kann bestätigen, dass es sich deutlich besser anfühlt, mit 45 bereits genügend Geld auf der hohen Kante zu haben, um davon zu leben, als damit bis 67 zu warten und dann vielleicht auch noch erleben zu müssen, dass es nicht reicht.
    Aus meinen Erfahrungen raus braucht man auch nicht Kapitaleinkünfte für den kompletten Lebensunterhalt. Nach einer Pause von der Arbeitswelt haben sich bei mir zahlreiche Ideen entwickelt, was ich gerne machen will. Und wenn dies für andere Nutzen stiftet, dann ist Geld wieder das Tauschmittel, welches fließt. Vielleicht nicht so umfangreich, wie zu Zeiten von Vollzeitarbeit. Aber eben doch erheblich.
    Wer meine Geschichte lesen will, der kann das auf unserem Blog Klunkerchen tun, in dem Buch Finanziell frei habe ich meine ganze Geschichte nochmal chronologisch aufgeführt. Tschüss Monika

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  3. Coole Auflistung, aber ich verstehe die 30% Aufschlag nicht so recht. Also vom Prinzip weiss ich, was Du damit meinst, aber sind die Dinge nicht auch schon in den Punkte davor genannt worden? (Punkt 4,6 und 7)? Das Problem für die Meisten der Bevölkerung ist eben, dass Sie während ihrer “Ansparphase zur finanziellen Freiheit” selbst noch Leben möchten/müssen. Es ist schwer, den goldenen Mittelweg zwischen Leben, sich etwas Gönnen und Sparen für die Rente zu finden. Aber es lohnt sich, danach zu suchen ;-))

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    1. Danke für Deinen Kommentar, Christina!
      Der Aufschlag von 30% kommt aus folgender Überlegung: Bei Erreichen der finanziellen Freiheit steht deutlich mehr Zeit für Hobbies und sonstige Aktivitäten, wie z.B. Reisen zur Verfügung. Die anderen Budgetposition ergeben sich mehr aus dem Budgetzuschnitt in der Ansparphase. Um das Budgeterfordernis ab Erreichen der finanziellen Freiheit nicht zu unterschätzen, habe ich den pauschalen Aufschlag von 30% gewählt.
      Ob nun 20% oder 40% passender sind, kann ich nicht sagen. Vielleicht melden sich auf diesen Artikel aber finanziell freie Personen und berichten von Ihren Erfahrungen! Ich wäre selbst an konkreten Anhaltspunkten sehr interessiert.
      Viele Grüße
      MFF

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    2. Hi Christina,
      Danke für Deinen Kommentar.
      Der 30%-ige Aufschlag ist in der Tat eine Schätzung, da ich die genauen Verhaltensänderungen bei Erreichen der finanziellen Freiheit nicht abschätzen kann. Ich habe mich mit finanziell freien Menschen bereits unterhalten und eine indikative Bestätigung erhalten, gleichzeitig aber keine harte Zahl genannt bekommen. Es spielen in der Regel eine Menge weiterer Faktoren eine Rolle, wie z.B. medizinische Versorgung, die mit zunehmendem Alter teurer wird, Geschenkverhalten für die Familie, etc.
      Entsprechend kann es individuell möglich sein, dass keine Aufschlag erforderlich ist (schon vorher gelebt ;-)) oder ein höherer Aufschlag erforderlich ist. Es wird vom entsprechenden Einzelfall und den Lebensumständen abhängen.
      Viele Grüße
      MFF

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  4. Hallo,
    ich denke auch, dass du deine finanzielle Freiheit bis 70 erreichst, wenn du gerade erst 34 bist 😉

    Meiner Meinung nach streben viel zu viele Menschen die finanzielle Freiheit aber aus den falschen Gründen an. Genau wie du auch, habe ich beobachtet, dass besonders viele Angestellte von dieser Freiheit träumen. Der Grund liegt meistens nicht im mangelnden Einkommen, sondern in einer Unzufriedenheit im Job. Da sollte man sich zuerst mit auseinandersetzen.

    Ich stimme dir zu 100% in dem Punkt Altersvorsorge zu. Da sollten wir uns nicht auf die Umlagen verlassen, denn diese können schnell mal geändert werden. Für die Zeit nach der Erwerbstätigkeit (schönes Wort) ist die finanzielle Freiheit daher ein Muss.
    Meine Gedanken zu diesem Thema habe ich auch in einem Blogartikel zusammengefasst, der für einige hier bestimmt interessant ist: http://wohlstand-aufbauen.de/finanzielle-freiheit-nicht-ziel/

    Viele Grüße
    Stephan

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    1. Hallo Stephan,
      Danke für Deinen Kommentar – na da wollen wir mal hoffen, dass ich das vor 70 schaffe 😉
      Schön, dass wir uns ja bei den Themen “Freiheit vom verhassten Job” und “Altersvorsorge” einer Meinung sind. Deinen Blogartikel werde ich gleich lesen.
      Viele Grüße
      MFF

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