Vor einigen Wochen war ich auf einer Geschäftsreise in den USA – am Flughafen, sah ich die im Titelbild abgebildete Werbung einer Versicherung „The best time to start saving for retirement? Now!“ wird dort gesagt. Nachsatz: „On average, we put off saving by 6 years.“ Den Appell zum sofortigen Sparen kann ich nur aus tiefstem Herzen unterstützen – der Nachsatz hatte mich dann doch überrascht, das klang nach einer Studie, die hinter dieser Aussage stand…

Als ich der Werbung nachging, fand ich auf der Website der besagten Versicherung eine ganze Reihe sehr interessanter Artikel, zu Personal Finance Themen, Sparverhalten und Ruhestandsplanung. Relevanter Content auf der Website eines Produkt-Providers, ich war überrascht. Normalerweise mache ich rund um derartige Informationen einen Bogen, da ein inhärenter Bias besteht und der Produkt-Provider wohl immer primär am Absatz der eigenen Produkte interessiert ist. Diese Versicherung hat das also ganz schön geschickt gemacht, dass ich hier Interesse zeigte. Insbesondere, da ich Versicherungsprodukte für Investitionszwecke ablehne bzw. damit auch schlechte Erfahrungen gemacht habe.

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Zuerst möchte ich die Gründe ausführen, warum mit dem Ansparen für den Ruhestand bzw. für die finanzielle Freiheit sofort und so früh wie möglich begonnen werden sollte:

  • Zins- und Zinseszins sind eine unglaublich mächtig – siehe dazu bereits einen früher von mir verfassten Artikel. – Die Zinsformel als Exponentialfunktion entfaltet besondere Wirkung, je länger sie auf das Anfangskapital einwirkt. Natürlich funktioniert das Ganze noch besser, wenn ein höherer Zinssatz angewendet wird. Was daher zählt, ist möglichst früh in seinem Leben anzufangen und den Effekt zu nutzen. Was bereits als Teenager bzw. in den 20ern angespart wird, kann später dann kaum mehr aufgehalten werden. Die Werbung der Versicherung hat also vollkommen Recht, wenn sie dringend davon abrät, das Ansparen aufzuschieben und sofort zu beginnen.
  • Schaffung von Gewohnheiten – vermeintlich unangenehme Tätigkeiten können durch die Gewohnheiten gemeistert werden! Zähneputzen, das Bett machen oder regelmäßige sportliche Tätigkeit können allesamt durch die Etablierung von Gewohnheiten leichter und routinierter bewältigt werden, als wenn jedes Mal ein neuer Anlauf genommen werden musste. Zu diesem Thema habe ich schon früher einen Artikel verfasst. Auch beim regelmäßigen Ansparen mit Blick auf Ruhestand/finanzielle Freiheit handelt es sich um solch eine unangenehme Handlung, die durch Gewohnheit bzw. Automatisierung gemeistert werden kann.
  • Schaffung einer aufgehenden Schere zwischen Einkommen und Kosten – Hierbei handelt es sich wohl um den mächtigsten Treiber, um die laufende Sparleistung mit steigendem Einkommen zu steigern. Das Grundprinzip ist einfach: Während das Einkommen entlang der beruflichen Laufbahn typischerweise ansteigt, besteht die große Gefahr, dass dieser Einkommensanstieg durch stetig wachsende Lebenskosten aufgefressen wird. Durch aktives Vermeiden dieser Parallelität zwischen Einkommens- und Kostenanstieg, kann sowohl die Sparquote erhöht werden als auch ein allzu konsumorientierter Lebensstil vermieden werden. Auch hier gilt, dass man das Öffnen der positiven Schere besser früher als später startet.

Aber warum fällt es uns aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht so besonders schwer, dieses vorausschauende Ansparen tatsächlich vorzunehmen? Hier hat einer der Artikel auf der Versicherungswebsite (richtigerweise wurde der Artikel von Dale Griffin, Associate Dean und Professor für Marketing an der University of British Columbia/Sauder School of Business in Vancover geschrieben) interessante Erkenntnisse parat.

Man könnte meinen, dass langfristiges Sparen und Vorsorgen einfach daran scheitert, dass wir charakterliche Schwäche und mangelnde Disziplin haben. Dies lehnt der Studienautor allerdings als selbstzerstörerisch ab. In der Tat kommt es doch so nur zu Frustration und negativen Gefühlen, wenn ambitionierte Vorsätze zum Sparen und Investieren nicht umgesetzt werden. Vielmehr sind jedoch wohl zwei andere Verhaltensmuster ausschlaggebend, nämlich „temporal construal“ und „loss aversion“.

Unter „temporal construal“ versteht man die menschliche Tendenz Ereignisse die weit in der Zukunft liegen nur abstrakt und wage zu beschreiben. Zudem denken wir darüber sehr positiv und optimistisch nach. Der Ruhestand in 30 Jahren wird daher in unseren Köpfen idealisiert, wenngleich auch nur verschwommen dargestellt und kurzfristige Probleme und Sorgen werden völlig ausgeblendet. Diese Tendenz kann dadurch überwunden werden, dass auch weit in der Zukunft liegende Ereignisse konkret und detailliert geplant bzw. greifbar gemacht werden. Es ist also sehr sinnvoll sich auch planerisch mit der finanziellen Freiheit zu beschäftigen. Fragen nach Einkommensströmen, Kosten, verbleibenden Tätigkeiten, Wohnsituation, Reisetätigkeit, etc. sollten detailliert durchdacht werden.

„Loss aversion“ besagt vereinfacht gesagt, dass Verluste deutlich schwerer wiegen als Gewinne. Gegenüber dem kurzfristigen Gewinn aus einer Konsumausgabe ist der langfristige Verlust aus einem Investment heute (das in Zukunft Früchte tragen wird) einfach benachteiligt. Aus Sicht des Verhaltenspsychologen hat ein Hypothekarkredit hier deutliche Vorteile. Denn dem sofortigen Gewinn durch den Erwerb des Hauses wird der zukünftige Verlust durch die Kreditraten auf disziplinierende Art und Weise abgearbeitet. Auch kann die Zahlung der Kreditraten als stetige Reduktion eines Übels betrachtet werden. Durch einen einfachen Mechanismus kann die menschliche Tendenz zur „loss aversion“ auch beim Vermögensaufbau überwunden werden. Nämlich dadurch, dass eine Automatisierung und Selbstverpflichtung analog einem Hypothekarkredit erfolgen kann – aus meiner Sicht kann dies durch das Einrichten eines Sparplans wunderbar erreicht werden. Die Versicherung würde dies wohl gern durch einen langläufigen Versicherungsvertrag bewerkstelligen wollen 😉

Das Fazit aus diesem Artikel ist einfach, enthält aber sehr wertvolle Erkenntnisse für jene, die sich auf der Überholspur in Richtung finanzielle Freiheit befinden wollen: Durch konkrete Beschäftigung mit und Planung der finanziellen Freiheit und der Etablierung von Habits bzw. automatisierten Verhaltensmustern, kann das Ansparen für Ruhestand bzw. finanzielle Freiheit ganz leicht bewältigt werden. Und zu guter Letzt sei nochmal wiederholt: “The best time to start saving for retirement is now!”

Was meint ihr? Teilt ihr die Einschätzung? Oder bin ich der Marketing-Abteilung der Versicherung auf den Leim gegangen? Freue mich auf Eure Kommentare!

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