Wenn man sich durch einschlägige Personal Finance Blogs durchwühlt, bekommt man leicht den Eindruck, dass Konsumverzicht der Königsweg zur finanziellen Freiheit sei. Zum Beispiel prangert Tim Schäfer, der ja im Epizentrum des Konsumismus lebt, das überbordende Konsumverhalten der weit entfernten Deutschen an! Doch Moment, liegt hier nicht ein Trugschluss vor? Sind wir nicht gänzlich selbst für unser finanzielles Glück verantwortlich und nicht nur dumme Konsum-Lemminge? Gibt es neben Verzicht nicht auch noch andere Wege zur finanziellen Freiheit? Wenn Du auf nur eine dieser Fragen „Ja!“ geantwortet hast, ist dieser Artikel hoch relevant für Dich!
Die ersten Wochen des neuen Jahres können in finanzieller Hinsicht eine Zeit des säuerlichen Erwachens nach einem Konsumrausch zu Weihnachten sein. Die Rechnungen der Weihnachtszeit sind bezahlt, auch die letzte Kreditkartenabrechnung mit Weihnachtsausgaben ist eingetrudelt. Gleichzeitig lockt der Schlussverkauf mit Schnäppchen, die man auch noch mitnehmen möchte. Auch die bevorstehenden Skiferien wollen bezahlt sein. In vielerlei Hinsicht ist also ein Tiefpunkt der persönlichen Finanzen mit Ebbe (oder Minuspositionen) am Girokonto erreicht.
Ich fürchte, dass dabei auch die – gut gemeinten – Ratschläge der österreichischen Nationalbank zum Umgang mit Geld in der Weihnachtszeit nicht geholfen haben. Inhaltlich wurde zwar richtig drauf hingewiesen, dass Schnäppchen nicht notwendigerweise auch solche sind, ein Weihnachtsbudget sinnvoll ist oder auch Verschuldung zur Weihnachtszeit und zu Konsumzwecken gefährlich ist. Bitte mich nicht falsch zu verstehen, ich finde die Initiative Eurologisch sehr sinnvoll, doch frage ich mich, ob sie entsprechend greift bzw. den richtigen Ansatzpunkt hat, da die Informationen zur Finanzbildung nur ein Seitenaspekt sind.
Wenn man nun im Gegensatz den conventional wisdom der Blogger-Szene betrachtet, ist Konsumverzicht the way to go! Wenn rund um Weihnachten und den Jahreswechsel zu viel ausgegeben wurde, hätte der böse Konsumteufel die Oberhand gewonnen. Böse, böse, böse! Nicht nur das, auch andere Verhaltensweisen trügen ja zum falschen Finanzverhalten bei: Wer bei Starbucks Cappuccinos kauft, seine Lebensmittel nicht beim Diskonter kauft, Markenkleidung trägt und Designermöbel kauft, wäre ohnedies verloren. Der Konsumteufel zerstöre somit jegliche Bemühung um die finanzielle Freiheit.
Doch jetzt einmal langsam. Hier besteht aus meiner Sicht ein fundamentaler Widerspruch zwischen dem, was man finanzielle Freiheit nennt einerseits und dem fast fanatischen Verbot zu konsumieren andererseits. Warum? Finanzielle Freiheit ist zu tiefst vom Wunsch nach Selbstbestimmung getrieben, insb. auch von der Freiheit von unselbständiger Beschäftigung. Es ist zudem ja jedermanns eigene Entscheidung, wie sowohl hinsichtlich der Finanzen als auch der Lebensgestaltung vorgegangen werden soll. Wenn im Gegensatz dazu nun fremdbestimmt und von oben herab jeglicher Konsum verteufelt wird, spießt sich die Argumentation bzw. besteht ein gewaltiger Widerspruch. Jede Entscheidung und damit auch jede Konsumentscheidung sollte doch auch frei und selbstbestimmt getroffen werden. Dafür sind keine Frugal-Apostel erforderlich, die ein schlechtes Gewissen für einen Cappuccino suggerieren wollen!
Ich bin davon überzeugt, dass jeder von uns selbst die Verantwortung für sein Wohl und Wehe trägt, sowohl in finanziellen Belangen, als auch in allen anderen Lebensbereichen. So sollten auch sämtliche Konsumentscheidungen frei getroffen werden. Einzig, wenn diese Entscheidungen in eingeschränkter Willensfreiheit erfolgen, erscheinen sie bedenklich. So kann z.B. Peer Pressure rund um das gefahren Auto (der Kollege auf der Arbeit hat ja einen neuen 5er BMW…) oder übermäßige Beeinflussung durch Werbung (das Must-Have des heurigen Winters…) das Urteilsvermögen beeinträchtigen.
Meist werden bereits ein wenig Reflexion über den angestrebten Kauf, der Vergleich mit dem Monatsbudget und das kurze Aufschieben des Kaufes zum Vermeiden von Impulskäufen ausreichen. So können Konsumentscheidungen entsprechend rational gestaltet werden.
Gleichzeitig halte ich es für eine Illusion, dass ausschließlich Konsumverzicht zur finanziellen Freiheit führen wird. Es bestehen aus meiner Sicht drei fundamentale Fehler in dieser Annahme:
- Konsumverzicht ist nur beschränkt möglich – das Senken von Ausgaben wird nur in eingeschränktem Maß möglich sein. Wer schon jetzt nicht zu Starbucks geht und alles beim Diskonter kauft, hat zudem beschränkte zusätzliche Optimierungsmöglichkeiten. Die völlige Umstellung auf Brot und Wasser kann darüber hinaus auch nicht zielführend sein.
- Steigerung des Einkommens ist hingegen fast unbegrenzt möglich – wenn Energie statt auf fanatischen Konsumverzicht gerichtet wird, auf die Steigerung des aktiven Einkommens und letztlich den Aufbau passiver Einkommensquellen verwendet wird, ist eine fast unbegrenzte Steigerung des Einkommens möglich. Wenn es gelingt dabei die Ausgaben des täglichen Lebens stabil zu halten, steigt die Sparquote und es kann passives Einkommen generiert werden.
- Konsumverzicht kann kontraproduktiv sein – bei entsprechend fanatischer Ausprägung können deutliche Unlustgefühle entstehen und so den Weg zur finanziellen Freiheit zum unlustigen Spießrutenlauf gegen den Konsumteufel machen. Diese laufende Anstrengung kann dazu führen, dass dieser Weg sehr bald überhaupt verlassen wird.
Letztlich muss sich also die Selbstverantwortung gegen den Konsumteufel durchsetzen und zwar bei jedem von uns ganz individuell. Es steht auch mir nicht zu, den Weg zur finanziellen Freiheit als einzig richtigen Weg zu propagieren. Vielleicht will mancher von Euch auch Konsum zulassen und genießen und stattdessen ein paar Jahre später finanziell frei zu sein – wer bin ich, das zu verteufeln?
Mein Fazit ist also, dass in der Tat jeder konsumieren kann, wie er möchte – die individuelle Selbstverantwortung kann und muss den Konsumteufel also selbst bezwingen. Einzig sollten informierte Konsumentscheidungen getroffen werden, die frei von Beeinflussung und verdünnter Willensfreiheit sind. Natürlich muss man sich bewusst sein, dass Konsum heute der Verzicht auf ein Stück finanzielle Freiheit in der Zukunft bedeutet. Doch genauso sollte man beachten, dass übermäßiger Konsumverzicht zu gewaltigen Unlustgefühlen führen kann und möglicherweise ja auch das Gegenteil bewirkt, nämlich das Verlassen des Weges zur finanziellen Freiheit.
Gleichzeitig gibt es eine Menge auch auf meinefinanziellefreiheit.com auch immer wieder beschriebene Hebel, die helfen können, die finanzielle Freiheit mit wenig Schmerz zu verfolgen. Neben dem Abbau von Schulden, der Steigerung des aktiven Einkommens und dem Aufbau passiver Einkommensqullen, sind insb. die schmerzfreie Automatisierung des Sparens sowie sinnvolles Investieren wesentliche Aspekte, die helfen können.
So wünsche ich Euch auf Eurem ganz individuellen Weg zur finanziellen Freiheit, egal mit welchem Ausmaß an Konsumverzicht, viel Erfolg. Und lasst Euch den Kaffee von Starbucks schmecken, wenn ihr wollt 😉
Finde den Artikel super und stimme absolut zu. Ich finde gerade Impulskäufe gefährlich, deswegen habe ich eine Wunschliste, da kommt erstmal alles drauf und wenn der Gegenstand lange genug drauf ist, wird gekauft (Klappt natürlich auch nicht immer…). Vermutlich ist es erstmal einfacher an den Ausgaben zu feilen als am Einkommen, für die meisten Menschen. Deswegen wird dieser Weg zur finanziellen Freiheit eher gepredigt. Könnte ich mir zumindest vorstellen.
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Vielen Dank für den KOmmentar, lieber Minimalist!
Dein Vorgehen mit der Wunschliste finde ich super – Amazon z.B. versucht allerdings genau das Gegenteil zu erreichen, nämlich durch 1-click-features genau diese Impulskäufe zu fördern.
Ich glaube, dass die Ausgabenoptimierung der erste Schritt sein kann/muss, in der Tat mag das ja einfacher sein. Allerdings bin ich fest davon überzeugt, dass allein durch Ausgabenoptimierung das Erreichen der finanziellen Freiheit schwierig bis unmöglich wird.
Viele Grüße
MFF
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Stimmt Amazon ist in vielerlei Hinsicht sehr clever. Du hast absolut Recht, an der Einkommensstellschraube lässt sich viel mehr drehen als bei den Ausgaben.
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Interessanter Ansatz! Ich möchte den Konsum auch nicht verteufeln. Jeder wie er möchte ist mittlerweile meine Devise. Ich überlege mir eigentlich schon immer 2-3x ob ich das wirklich brauche was ich haben möchte. Aber ich war letztens mal Klamotten shoppen. War schön, ich brauchte sie und freue mich heute noch drüber 🙂
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