Bereits letzte Woche habe ich mich mit der Besteuerung von ETFs in Österreich auseinandergesetzt. Es gibt einen Spezialaspekt bei der Besteuerung im verflixten ersten Jahr des stolzen ETF-Besitzes, der mir großes Kopfzerbrechen bereitete. Einiges an Recherche half mir, Näheres herauszufinden. Da eine einfache Google-Recherche nicht sofort zum Ergebnis führt, möchte ich meine Erkenntnisse mit Euch teilen. Also, dies ist in der Tat jetzt der Leistungskurs Fondsbesteuerung – keine Sorge, ein allgemeiner gehaltener Artikel folgt nächsten Donnerstag 😉

Was war passiert?

Ich habe im Lauf des Jahres 2017 mehrmals Anteile des thesaurierenden iShares Core MSCI World ETF erworben. Wie ich schon in anderen Artikeln empfohlen hatte, handelt es sich um einen breit gestreuten, global investierenden ETF mit einer niedrigen TER/total expense ratio von 0,2%. An diesem ETF gefällt mir zudem, dass er den Index physisch repliziert und nicht nur synthetisch abbildet.

Nicht schlecht staunte ich aber, als mir bereits kurze Zeit nach dem Kauf der ersten Anteile unter dem nüchternen Titel „Abzugssteuer“ Kapitalertragssteuer vom Verrechnungskonto abgebucht wurde.

Wofür wurde mir hier Steuer abgezogen? Wie frech ist denn die Finanz mittlerweile? Verblüfft fragte ich mich zuerst bei meinem Broker durch und recherchierte dann genauer im Internet, was da passiert war.

Was steckt denn hinter diesem seltsamen Vorgang?

Was passiert, ist leicht erklärt, auch wenn es auch mich noch immer schematisch und undifferenziert wirkt. Meine Depotbank nahm die Versteuerung der ausschüttungsgleichen Erträge des abgelaufenen Geschäftsjahrs vor. Dabei wurde und wird ganz grundsätzlich keine Rücksicht darauf genommen, wie lange ich den ETF schon besessen hatte. Es kommt also dazu, dass ich „Abzugssteuer“ (=Kapitalertragssteuer/KESt auf ausschüttungsgleiche Erträge in Höhe von 27,5%) für Erträge bezahle, die erwirtschaftet wurden, bevor ich den ETF gekauft habe.

Es klingt seltsam, ist aber völlig korrekt, was hier passiert ist. Das ist nämlich in der Tat die gesetzliche Regelung, die anzuwenden ist. Mir half bei der Erklärung, dass man beim Kauf des ETF nicht nur den Wert des Anteils sondern auch eine die Steuerschuld auf die noch nicht versteuerten Erträge „mitkauft“. Diese Steuerschuld wird dann beim nächsten Termin zur Abrechnung der ausschüttungsgleichen Erträge beglichen.

Was kann man dagegen tun?

In meiner Verwunderung ob des seltsamen Vorgangs, überlegte ich was ich dagegen hätte tun können. Um ehrlich zu sein, nicht viel! Die Lösung, den Kauf des ETF genau auf das Geschäftsjahr des ETFs abzustimmen, finde ich jedenfalls unpassend. Ich ja im Sinne des Cost Averaging regelmäßig, im Lauf des Jahres Anteile kaufen. Damit läuft es darauf hinaus, dass ich mich mit dieser steuerlichen Behandlung im verflixten ersten Jahr einfach abfinden muss.

Das ist auch gar nicht so schlimm, und zwar aus folgenden zwei Gründen.

Wie bereits im Artikel letzte Woche beschrieben, wird der Kaufkurs bzw. Einstandswert durch ausschüttungsgleiche Erträge über die Schattenrechnung der Depotbank erhöht. Auch durch diese erste Verrechnung ausschüttungsgleicher Erträge kommt es zu solch einer Anpassung. Wenn der ETF in der Zukunft dann verkauft werden sollte, schlägt sich die Erhöhung des Einstandswerts mildernd zu Buche.

Ein weiterer Trost in dieser seltsamen Situation war für mich, dass ich durch die Steuerzahlung gleichsam zusätzlich weiteres Geld in den ETF investierte. Ich weiß, ich investierte „nur“ in einen erhöhten Einstandswert und führte das Investment unmittelbar an den Finanzminister ab. Aber in der verblüffenden Situation war dieser Gedanke zumindest ein wenig tröstlich 😉

So, jetzt ist es genug mit den Sonderbarkeiten des österreichischen Steuerrechts. Alle, die bis hierher mitgelesen haben, bekommen das Zeugnis für den Leistungskurs Fondsbesteuerung ausgestellt!

7 thoughts on “Das verflixte erste Jahr

  1. Interessanter steuerlicher Aspekt…weiß nicht, ob der auch hier in Deutschland zutrifft!?

    Du könntest positiv noch davon ausgehen, dass Du den ETF (eventuell) kurz vor dem Ende des Geschäftsjahres wieder verkaufst – dann würdest Du knapp um die Steuer herumkommen, aber den Vorteil des gesteiegenen Wertes durch die thesauierten Erträge schon mitnehmen 😉

    Vielleicht insgesamt ein (sehr kleiner) Vorteil von Ausschüttern, da der Effekt hier nicht zum tragen kommt: Die Ausschüttung wird dann wenn sie gebucht wird auch besteuert. Also bekommt derjenige, der die Vorteile Ausschüttzung zum Stichtag erhält auch die Steuer aufgebrummt.

    Zwecks passivem Einkommen und weil es schön ist regelmäßig Erträge verbucht zu bekommen, investieren ich eh seit einiger Zeit nur noch gezielt in physisch replizierende ETF…

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    1. Danke für Deinen Kommentar, Thorsten!

      Die Situation in Deutschland habe ich mir nicht näher angesehen. Wenn das ein Experte für deutsche Steuerfragen liest, lade ich ihn zu einem Gastartikel ein! Einfach unter meinefinanziellefreiheit@gmail.com melden.

      Zu Deiner Idee mit dem Verkauf kurz vor dem Stichtag: Dies stellt zumindest in Österreich keinen Vorteil da, denn die Kurssteigerung unterlegt ja auch der KESt. damit ist es ganz gleich ob man am Tag vor der Ausschüttung verkauft oder am Tag nach der Ausschüttung und die Ausschüttung versteuert.

      Eine Rückfrage: Wenn es Dir um regelmäßiges Einkommen geht, warum kaufst Du dann physisch replizierende ETFs? Für die Ausschüttung sollte, ja synthetisch vs. physisch replizierend egal sein…

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      1. Okay, ich kenne mich mit dem österreichischen Steuerrecht noch weniger aus als mit dem deutschen – als Experte dafür bin ich also raus 😉

        Zu Deiner berechtigten Rückfrage: Da habe ich wohl schneller gedacht als geschrieben…das sollte heißen, ich kaufe seit einiger Zeit nur
        1) physisch replizierende (weil ich möchte, dass meine gewünschten Anlageklassen auch wirklich im Depot sind)
        2) Ausschütter (wegen regelmäßigen Erträgen und klarer / einfacher Besteuerung der Erträge)

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      2. Hi Thorsten,
        Danke für das Follow-Up.
        Deinen Punkt 1) kann ich gut nachvollziehen – in folgendem Artikel kam ich zu selbigem Schluss bzgl. synthetischen vs. physisch replizierenden Fonds: https://meinefinanziellefreiheit.com/2017/01/19/etf-auswahl/ (Punkt 4).
        Bezüglich der Frage nach ausschüttendem vs. thesaurierendem Fonds teile ich Deine Ansicht nicht. Die regelmäßigen Ausschüttungen mögen psychologisch angenehm sein. So gibt es den im Artikel der Vorwoche https://meinefinanziellefreiheit.com/2018/06/28/etfs-steuer/ genannten steuerlichen Nachteil. Zudem fördert ein thesaurierender Fonds den Vermögensaufbau, weil er keine Möglichkeit gibt über eine andere Verwendung der Ausschüttung nachzudenken. Der Vermögensaufbau ist quasi völlig automatisiert.
        Viele Grüße
        MFF

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  2. Vielen Dank für den Beitrag! War tatsächlich etwas das mich brennend interessiert hat nach nicht nachvollziehbaren Steuerabzügen in der letzten Woche.

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