Keine Sorge, liebe Schweizer, ihr habt nicht im Fußball verloren! Wenn es allerdings um die Rückzahlung von Steuern geht, ist die Schweiz eindeutig der Verlierer. Dieser Artikel beschreibt meinen Praxistest für die Rückerstattung von Quellensteuer bei Aktien deutscher bzw. schweizerischer Aktiengesellschaften (genau Daimler, Bayer, Roche, Nestlé & Co!) aus Sicht eines österreichischen Investors. Für all jene von Euch die deutsche oder schweizerische Aktien besitzen, stellt dieser Artikel auch die Anleitung dar, wie Ihr Steuern zurückfordern könnt! Dieser Blogbeitrag verspricht also bares Geld!


Problemstellung

Ich habe in meinem Portfolio neben ETF-Positionen auch einige Einzelaktien, von denen ich seit vielen Jahren zufrieden Dividenden kassiere. Bei Aktien deutscher und schweizerischer Firmen kommt es für den österreichischen Investor – also in Österreich uneingeschränkt steuerpflichtigen Personen – zu einer zu einer zu hohen Steuerbelastung in Folge von Quellensteuer. Doch was passiert konkret?

Von einer deutschen Dividende werden vom deutschen Staat 26,375% Quellensteuer und vom österreichischen Staat 12,5% Kapitalertragssteuer einbehalten, in Summe also sensationelle 38,875%! Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Deutschland sieht allerdings vor, dass maximal 27,5% Steuer (an beide Staaten) bezahlt werden müssen. Somit wurde vom Broker bei Auszahlung der Dividende quasi automatisch um 11,375% zu viel einbehalten. Der Aktionär muss daher aktiv werden, um nicht zu viel Steuern zu bezahlen.

Bei schweizerischen Aktien passiert etwas sehr ähnliches. Die gierigen eidgenössischen Steuerbehörden schnappen sich gleich 35% an Quellensteuer, die Österreicher noch einmal 12,5%. In Summe werden also 47,2% einbehalten, um sensationelle 20%-Punkte
zu viel. Auch hier ist also ein Aktivwerden des Aktionärs erforderlich!

Lohnt es sich überhaupt die Steuer zurückzufordern?

Natürlich mag man sich fragen, ob es sinnvoll ist hier Briefe an zwei Finanzämter zu schicken, um (bei den meisten Aktionären, natürlich abhängig vom investierten Volumen bzw. der Höhe der Dividende) Kleinbeträge zurückzufordern. Der Zeitaufwand für die Rückforderung will ja immerhin auch bedacht werden.

Dem halte ich zwei grundlegende Überlegungen entgegen. Erstens, bin ich voll und ganz dabei, dass jeder von uns ordnungsgemäß seine Steuern bezahlen soll. Die hier beschriebene Problemstellung zeigt aber einen Sachverhalt auf, in dem zwei Staaten mehr Steuern einbehalten, als ihnen zustehen! Dem mag ich einfach grundsätzlich nicht zusehen – nach meiner persönlichen Meinung soll der Staat so wenig Steuern, wie unbedingt nötig erhalten. Zweitens, fehlt mir ein wenig das Verständnis dafür, dass der Staat – wie im schweizerischen Fall – fast die Hälfte der Dividende vereinnahmt, nachdem er bereits den Unternehmensgewinn besteuert hat. Aktiengesellschaften arbeiten nicht für den Staat, sondern für Ihre Kunden, Mitarbeiter, Aktionäre,…

Ich werde daher jedes Jahr tätig, um die zu Unrecht einbehaltenen Steuern in Höhe von 11,375% (Deutschland) bzw. 20% (Schweiz) zurückzufordern. Der Aufwand hält sich bei jährlicher Wiederholung und damit einhergehender Übung wirklich in Grenzen und sind die wenigen Euros für Porti auch zu verkraften. Es sei auch gesagt, dass dieser Vorgang wirklich nicht so kompliziert ist, die unten beschriebene Anleitung sollte den genannten Übungseffekt weitergeben. Wer dennoch mehr über Quellensteuern wissen will, der kann ja dann hier weiterlesen!

Deutschland: Wie funktioniert das Verfahren?

Erster Schritt ist das Ausfüllen des entsprechenden Formulars der deutschen Steuerbehörden. Dieses muss in dreifacher Ausführung an das österreichische Wohnsitzfinanzamt übermittelt werden. Das Wohnsitzfinanzamt bestätigt die steuerliche Ansässigkeit in Österreich und schickt das Formular an den Aktionär zurück. Nun muss das bestätigte Formular mit einer Kopie der Dividendenabrechnung an das Deutsche Bundeszentralamt für Steuern (Bundeszentralamt für Steuern, An der Küppe 1, 53225 Bonn) geschickt werden. Das Bundeszentralamt für Steuern erstattet dann den zu viel einbehaltenen Steuerbetrag durch Überweisung.

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Schweiz: Wie funktioniert das Verfahren?

Die Schweiz hat natürlich eigene Formulare und – da in der Schweiz wohl alles ein wenig anders laufen muss – eine eigene Software, den sog. Snapform Viewer erfordern, um die Formulare ausfüllen zu können. Die Formulare sind in fünffacher Ausführung samt Kopien der Dividendenabrechnungen dann ebenfalls an das Wohnsitzfinanzamt zu senden, welches zuerst die steuerliche Ansässigkeit bestätigt. Der Aktionär erhält eine Kopie retourniert, während die Formulare an das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart (warum um alles in der Welt, ist mir bis heute unklar!) weitergeleitet werden. Das burgenländische Finanzamt leitet die Anträge dann an die Schweiz weiter, bevor die eidgenössische Steuerverwaltung die zu viel verrechnete Quellensteuer erstattet, zumindest theoretisch…doch dazu gleich.

Wie liefen die beiden Verfahren bei mir?

Gern möchte ich meine Erfahrungen anlässlich der Rückerstattung der im Jahr 2017 bezahlten Quellensteuern beschreiben. Beide Verfahren habe ich am 28. Dezember 2017 begonnen. Es bestanden also die gleichen Voraussetzungen für beide Länder, als ich das steuerliche Windhund-Rennen gestartet habe. Mein Wohnsitzfinanzamt war sehr zügig tätig und erhielt ich bereits nach ca. zwei Wochen (konkret am 11. Januar 2018) die Unterlagen retour. Gratulation an die österreichischen Finanzämter, dass das so fix geklappt hat! Doch dann begann eine lange Zeit des Schweigens aus Deutschland bzw. der Schweiz.

Am 20. Juli 2018 erhielt ich nach etwas mehr als einem halben Jahr den beantragten Rückerstattungs-Betrag aus Bonn überwiesen. Die Überweisung langte sogar ein, bevor ich noch den schriftlichen Bescheid erhielt. Soweit so gut! Ich dachte mir, dass es bei der Schweiz auch nicht mehr lange dauern könnte. Doch da hatte ich mich sehr gründlich geirrt!

Als ich im Oktober 2018, nach mehr als 9 Monaten bei den schweizerischen Steuerbehörden einmal telefonisch erkundigte, wie es um meinen Antrag stehe, erklärte mir eine freundliche Mitarbeiterin, dass mein Antrag zwar eingegangen sei, aber die Bearbeitung immer sehr lange dauern würde. Sie hätten ja immerhin sehr viele Anträge zu bearbeiten…

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Eigentlich wollte ich diesen Artikel ja erst schreiben, wenn ich das Geld erhalten habe. Doch ist das bis heute nicht passiert. Ich habe in der Zwischenzeit den nächsten Antrag für das Jahr 2018 gestellt.

Schweizerische Pünktlichkeit gibt es vielleicht bei teuren Schweizer Uhren, der Schweizerischen Bundesbahn, aber sicher nicht in Steuerangelegenheiten! Deutschland : Schweiz – 1 : 0 lautet das Ergebnis, liebe Schweizer ihr könnt das besser!

Muss das alles sein?

Das frage ich mich wirklich! Die einfachste Lösung wäre gar nicht zu viel Steuern einzuheben, sondern gleich im Doppelbesteuerungsabkommen einen Mechanismus vorzusehen, der verhindert, dass zu viel Steuern einbehalten werden. Das würde Bürokratie, Kosten und Ärger für die Aktionäre verhindern. Die zweitbeste Lösung wäre eine Digitalisierung des von mir beschriebenen, höchst komplexen, papierbasierten Prozesses. Im digitalen Zeitalter müssen Papierformulare nicht per Post von A nach B geschickt werden und sich Formulare stapeln – wohl besonders in der Schweiz. Ich werde das Bild der armen Frau in der Behörde nicht los, die in ihrem Amtsraum vor lauter Formularbergen nicht mehr zurecht kommt…Franz Kafka würde sich freuen! Auch konsequente Digitalisierung sollten Zeit, Kosten und Ärger eingespart werden. Gleichzeitig bin ich Realist genug, dass Investoren dieser Tage eine schlechte Lobby haben, es also wohl nicht so schnell zu Verbesserungen kommen wird. Schade! Die Post und Papierindustrie freuen sich vielleicht ja 😉

Wie sind Eure Erfahrungen mit der Erstattung von Quellensteuern? Stellt ihr die entsprechenden Anträge? Oder ist Euch das zu mühsam?

Zuletzt möchte ich noch einen wichtigen Disclaimer anbringen: Mir geht es hier um einen Erfahrungsbericht und Euch Tipps für die Rückforderung von zu Unrecht einbehaltenen Steuern zu geben. Es ist nicht meine Absicht als Steuerberater tätig zu sein, entsprechend übernehme ich für die getroffenen Angaben auch keinerlei Gewähr.

6 thoughts on “Deutschland : Schweiz – 1:0

  1. Ich bin “Steuerdeutscher” und kaempfe natuerlich mit der selben Problematik. Bin da ganz bei dir. Was mir auch negativ abgeht ist der Punkt mit der Digitalisierung und dem Datenaustausch der Laender. Wenn es darum geht unversteuertes Einkommen zu finden dann klappt der Austausch extrem genau und schnell. Geht es aber darum FUER den Buerger zu arbeiten findet kein Austausch statt.

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    1. Danke für den Kommentar – sehr spannende Apsekte!
      Nicht nur, dass die Digitalisierung wirklich ausbleibt, sondern auch, dass der Staat beim Eintreiben der Steuer sehr emsig ist, während er bei der Rückerstattung sehr säumig ist.
      Zusätzlich würde ich natürlich zu bedenken geben, dass der ausländische Investor, der Steuer zurück haben will, im Wählervolk sicher keine Lobby hat 😉

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      1. Es wird eben auch drauf spekuliert das die zu viel gezahlten Steuern im Land bleiben wenn man das Prozedere moeglichst Stumpf und Langgezogen auslegt. Da sagen dann viele (z.B. bei den Dividenden) “Auf die paar Kroeten kommts mir dann auch nicht an”…

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  2. Zur Ehrenrettung der Schweizer Steuerbehörden möchte ich ergänzen, dass ich diese Woche nun (nach mehr als einem Jahr!!) die Erledigung meiner Quellensteuer-Rückerstattung per Brief angekündigt bekam. Die Überweisung traf am Tag nach dem Brief – unter Abzug haarsträubender Spesen für eine CHF-Zahlungseingang – auf meinem Konto ein.

    Vielleicht hat ja ein Beamter in der Schweiz den obigen Blogpost gelesen, dass es nun doch klappte 😉

    Gleichzeitig liegt bereits ein neuer Antrag für 2018 in der Eingangspost der Schweizer Behörde. Ich muss mich aber wohl jetzt mal ein weiteres Jahr gedulden…

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  3. Ich bin Steuerösterreicher und hab auf meinem Schweizer Bankkonto Nestleaktien gezeichnet. Bei der Dividendenausschüttung wurden mir natürlich 35% abgezogen. Hast du ne Ahnung ob ich bei meiner Steuererklärung die Dividende nochmal angeben und zu 27,5% versteuern muß(Bruttodividende oder nur die verbleibenden 65%) und ggf. die zuviel bezahlten 7,5% von der schweizerischen Steuerbehörde zurückfordern kann?

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    1. Hallo Karl,
      Das klingt so, als hättest Du nur die Schweizerischen 35% bezahlt, darüber hinaus aber noch nichts in Österreich. Damit ist die Situation nicht wirklich mit der im Text beschriebenen Situation vergleichbar.
      Richtigerweise musst Du in Österreich 12,5% KESt. bezahlen und in der Schweiz 15% Quellensteuer, in Summe also 27,5%, aber eben in anderer Verteilung. Entsprechend musst Du nach meiner Einschätzung sehr wohl etwas in die Österreichische Steuererklärung aufnehmen und von den Schweizern 20%-Punkte zurückfordern.
      Wichtig: Diese Information sind ohne Gewähr, da ich kein Steuerberater bin und hier auch keine Steuerspartipps geben kann/will. Danke!
      Viele Grüße
      Lukas

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