Bereits seit längerer Zeit beschäftige ich mich mit p2p Plattformen und investiere überschaubare Beträge. Dies sowohl aus Interesse am Geschäftsmodell, als auch zur Nutzung interessanter Renditen von zum Teil mehr als >10%, wo es sich doch um mit dem Aktienmarkt wenig korrelierte Investments handelt. Derzeit glühen viele Sterne am p2p Himmel. Dieser Artikel untersucht, warum es nicht dabei bleiben wird, warum so mancher Stern verglühen wird und was dann passieren kann. Enthalten mein Erfahrungsbericht mit Lendico.at!

Das p2p Lending-Geschäftsmodell

Das p2p Lending-Geschäftsmodell ist per se faszinierend und ersetzt durch Unterstützung digitaler Technologie gleich zwei volkswirtschaftliche Funktionen von Banken: nämlich Kreditvergabe und Ausgleich durch Einlagen/Investments. Willige Investoren stellen Kapital, gegen entsprechende Verzinsung auf der Plattform zur Verfügung und können dieses Kapital hoffentlich erfolgreich* in Kreditprojekte investieren. Kreditsuchende können andererseits Kredit bekommen, vielleicht auch wenn andere/traditionelle Banken nicht mehr willig sind, als Kreditgeber aufzutreten. All das kombiniert mit einer benutzerfreundlichen Online-Bedienoberfläche verspricht gefühlte Leichtigkeit ohne Bank-Bürokratie.

Typischerweise würden ja regulierte Banken die Funktion der Plattformen übernehmen: Einlagen von Investoren sammeln und Kredit vergeben. All das unter Anwendung strikter Regularien: Garantien für Einlagen (Stichwort Einlagensicherung*), strikte Regeln zu Kreditvergabe und Vorschriften zur Bereitstellung von Eigenkapital und Liquidität für die Institute selbst. All das, um die Sicherheit und Stabilität des Systems sicherzustellen. Gleichzeitig natürlich auch eine Quelle von Bürokratie und Schwerfälligkeit, bzw. hohen Kosten für Banken, die durch die Erfüllung der Regularien entstehen.

Charmant am p2p Lending-Geschäftsmodell ist auch, dass es sich zweiseitiger Netzwerkeffekte* erfreut. Das bedeutet, dass das Geschäftsmodell sowohl auf Angebots- als auch auf Nachfrage-Seite immer attraktiver wird, je mehr Teilnehmer es am Geschäftsmodell  gibt. Je mehr Investoren es auf einer p2p Plattform gibt, umso attraktiver wird es für Kreditnehmer bzw. Kreditvermittler mit der Plattform zusammenzuarbeiten. Entsprechend wird eine Plattform mit vielen zum Investment bereitstehenden Krediten für immer mehr Investoren interessant sein. Die beiderseitigen Netzwerkeffekte verstärken sich also gegenseitig und sollten nach der reinen mikroökonomischen Lehre dazu führen, dass letztlich eine dominante Plattform im Markt verbleibt, während andere verschwinden. Oft wird bei ähnlichen Geschäftsmodellen daher auch von „Winner takes all“-Geschäftsmodellen gesprochen.

Meine Vorhersage für die Zukunft so mancher p2p Plattform

Der „Winner takes all“-Theorie kann man entnehmen, dass es nur einen Gewinner geben wird und viele der derzeit am Markt mehr oder wenig erfolgreich operierenden p2p Lending-Plattformen wieder verschwinden könnten. Für den deutschsprachigen Markt ist derzeit noch unklar, welche Plattformen das sein könnten. Gleichzeitig haben sich Mintos*, Bondora* und Estateguru auch in so manchem Ranking bereits abgesetzt. Es fällt mir dennoch etwas schwer zu verstehen, warum der Autor des zitierten Rankings seine Investments gleich auf 16 Plattformen verteilt. Diese „Diversifikation“ kann natürlich zu Testzwecken für die Erstellung eines Rankings erfolgen, gleichzeitig kann sie einem raschen Verglühen eines der p2p Sterne zu einem herben Verlust bzw. völliger Illiquidität des Investments führen.

Wie würde das Verglühen eines ehemaligen p2p Lending-Stars wohl aussehen? Unmittelbarer Auslöser für das Ende der Geschäftstätigkeit können aus meiner Sicht drei Ursachen sein: 1. Kreditnehmer, 2. Kreditgeber und 3. Kapital. Entweder finden sich keine Kreditnehmer oder Kreditgeber mehr, die sich über die Plattform finanzieren bzw. dort finanzieren wollen. Es tritt quasi die Wirkung der Netzwerkeffekte mit umgekehrtem Vorzeichen ein. Andererseits können auch die laufenden Kosten das Kapital der Plattform auffressen, was zu einer ganz klassischen Insolvenz führen könnte. Es können auch Auslöser 1 und 2 zu 3 führen.

Sobald also Kreditgeber ausbleiben und keine Kredite anfragen, werden Investoren zwar anfangs noch zusehen, wie ihr Geld nicht investiert wird. Sobald dies aber vollständig transparent wird, gehe ich davon aus, dass die Investoren ihr Geld von der Plattform abziehen. Ein plötzlicher Verkaufswunsch vieler Investoren kann am ggf. bestehenden Sekundärmarkt der Plattform nicht erwartet werden. Durch diesen Liquiditätsabfluss wird es dann aber auch de facto unmöglich werden, neue Kredite zu geben. Bis die Insolvenz-Grenze erreicht ist, wird dann wohl nur eine Frage der Zeit sein.

Was passiert, wenn eine p2p Plattform sein Geschäft (zumindest in Österreich) einstellt

Ich erlebe gerade selbst, wie schmerzhaft das Scheitern einer p2p Plattform für Investoren sein kann. Bereits 2014 investierte ich über die p2p Kreditplattform Lendico in Kreditprojekte. Bei Lendico handelt es sich um ein von Rocket Internet inkubiertes Startup, das nach dem Launch in Deutschland bald auch nach Österreich expandierte. Zu Beginn handelte es sich tatsächlich um ein p2p Modell mit Retailkunden, man arbeitete also ohne Kreditvermittler und konnte direkt in die Kreditprojekte von Individualschuldnern investieren. Das Modell wollte dennoch nicht so wirklich fliegen, bald schon begann Lendico am Geschäftsmodell zu schrauben: In einigen Ländern wurde nicht mehr mit Retail-Investoren zusammengearbeitet, in Deutschland schwenkte man auf Kredite für Klein- und Mittelbetriebe um, in Österreich blieb die Kreditprojekt-Pipeline bald gänzlich trocken.

Ab 2016 kamen für mich keine weiteren Kreditprojekte auf Lendico mehr zu Stande. Da die Plattform über keinen Sekundärmarkt verfügt hat, war es mir auch nicht mehr möglich, aus den bereits eingegangenen Geschäften auszusteigen. Ich konnte also nur mehr zusehen und hoffen, dass die Kredite getilgt werden würden. Zwischendurch kam es zu einigen operativen Veränderungen, so z.B., dass die laufenden Zahlungen (Zinsen und Kapitaltilgungen) über Wirecard abgewickelt wurden. Aber immerhin, ich erhielt und erhalte regelmäßig Zahlungen!

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Schließlich wurde Lendico Anfang 2018 an ING Deutschland verkauft. Es tut nichts zur Sache, ob man das als Scheitern eines stand-alone Geschäftsmodells Lendico bezeichnen möchte oder als wichtigen Schritt zur „FinTechisierung“ des traditionellen Bankings sehen möchte. Fakt ist, dass zumindest lendico.de weiterhin am Markt tätig ist. Das Geschäftsmodell wurde allerdings weiter abgeändert: So handelt es sich definitiv um kein p2p Modell mehr, sondern werden nur mehr online SME-Kredite, auch unter Einbindung von Kreditvermittlern vergeben. ING richtete das Geschäftsmodell also sichtlich so aus, dass es dann doch noch funktionieren kann!

Doch was passierte mit meinen Investitionen in Kreditprojekte auf Lendico.at? Dass es nicht so wirklich toll lief, hatte ich schon mal beschrieben. Wie es derzeit aussieht, kann ich aber leider nicht wirklich sagen, es sollten jedenfalls mittlerweile weniger als €1,000,- an Kreditportfolio übrig sein. Ich habe keinen Zugang zur Plattform mehr, die Rücksetzung des Passworts funktioniert nicht. Auch meine Anfragen bei der Service-E-Mail von Lendico blieben bisher unbeantwortet. Vor einigen Wochen erhielt ich dann noch einen mysteriösen Post Ident Brief von Lendico. Man informierte mich, dass Lendico als Finanzinstitut künftig jährlich meine Identität feststellen müsse. Okay. Das macht zwar keine andere österreichische Bank, die ich kenne, aber Vorschrift ist offenbar Vorschrift. Ich habe Lendico nun angeboten meine verbleibenden Kredite zurückzukaufen, um sich nicht nur Bürokratie, sondern auch die komplizierte Abwicklung über viele Jahre hinweg zu ersparen. Doch auch in dieser Angelegenheit warte ich weiterhin auf Antwort.

Die Moral von der Geschicht‘

Aus dieser meiner persönlichen Erfahrung mit Lendico lassen sich meines Erachtens einige sehr interessante Erkenntnisse ableiten:

  • Einige/manche/viele der derzeit gehypten p2p Lending-Modelle werden in dieser Form keinen Bestand haben und aus dem Markt verschwinden
  • Selbst wenn das ursprüngliche Geschäftsmodell gescheitert sein mag, bestehen Möglichkeiten das Geschäftsmodell weiterzuentwickeln und doch noch zum Laufen zu bekommen, vielleicht aber in ganz anderer Form
  • Für Investoren kann dies bedeuten ohne wirklich Handlungsoptionen auf der Plattform gefangen zu sein und auf die Rückführung des investierten Geldes wirklich nur noch hoffen zu können
  • So faszinierend die Welt des p2p-Lending auch sein mag, diese Erfahrung möge ein deutlicher Hinweis auf die Risiken junger, nicht bewährter Geschäftsmodelle sein

Wie seht ihr dieses Risiko des „going out of business“ bei p2p Plattformen? Habt ihr Erfahrungen mit gefallenen Sternen des p2p-Lending gemacht? Teilt Ihr meine Einschätzung, dass so machen p2p Plattform nicht nachhaltig am Markt tätig sein werden? Freue mich auf die Diskussion in den Kommentaren.

6 thoughts on “Wenn Sterne des p2p Himmels verglühen

  1. Hi,
    Ja, zum Artikel kann man nur sagen, wie bei den meisten Geschäftsmodellen, werden die schwächsten irgendwann vom Markt verdrängt, so ist es nun mal. Dass darunter Leute leiden werden mag sein, aber schon Schumpeter hat mit seiner Zerstörungstheorie und andere vor ihm haben gesagt, dass aus der Asche der gescheiterten Modelle, wiederum neue Modelle entstehen und so wird es hier auch sein.
    Ich persönlich bin mit mehreren Tausend € in Mintos, Bondora und jetzt ganz neu in Reinvest24 investiert, bisher ist nichts ausgefallen, die Rendite ist so wie versprochen und auch sonst glaube ich an den Fortbestand der beiden Erstgenannten. Ich persönlich habe mit zwar vom Ranking inspirieren lassen, aber auch von den angebotenen Features der Anbieter. Bisher hab ich’s nicht bereut und P2P wird denke ich weiterhin mit 10-25% meiner investierten Summe im Portfolio bleiben.
    Grüße
    M

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  2. Ich habe vor einem halben Jahr angefangen testweise bei Mintos zu investieren und auch den Autoinvestor verwendet. Derzeit beende ich dieses Investment, weil mir das Risiko für die Rendito von knapp 9% zu hoch ist. Da bleibe ich lieber beim Aktienmarkt, der bei weniger Risiko über ETFs eine vergleichbare Rendite einbringt. Ich für mich würde sagen, dass sich meine Skepsis bezüglich dieser Investmentform (ist es ein Invest?) bestätigt hat.

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  3. Ich sehe das ähnlich wie du, auch wenn ich glaube, dass es sehr wohl die ein oder andere Nische geben wird, die spezialisierte Plattformen erfolgreich belegen können. Und ob “to big to fail” wie bei Mintos wirklich vor einer Insolvenz schützt würde ich keinesfalls unterschreiben. Daher bin ich auch einer der Anhänger von vielen Plattformen (ebenso wie Lars aktuell bei 16) und so lange die Abwicklung (also der positive Fall wie bei Lendico und nicht wie bei Collateral) im Falle eines mergers oder Geschäftsaufgabe dann “normal” läuft und sich einfach nur hinzieht, ist mir das egal – schließlich würden sich ja auch so die Rückzahlungen hinziehen. Auf Liquidität bin ich bei P2P nicht angewiesen, davon halte ich nichts.
    Grüße
    tbee

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    1. Danke für Deinen Kommentar, tbee!
      Du hast natürlich recht, wenn Du im Abwicklungsfall einer Plattform nicht auf Liquidität setzt. Damit bist Du ein “hold to maturity”-Investor. Einige Plattformen bewerben allerdings aggressiv das Gegenteil, indem sie auf ihren Sekundärmarkt verweisen und so ständige Liquidität suggerieren. Dies ist mE v.a. im Fall des Scheiterns der Plattform (aber auch schon bei Ungleichgewichten zwischen Angebot und Nachfrage) nicht mehr gegeben. So werden liquiditätssuchende Investoren gezwungen “hold-to-maturity”-Investoren zu werden 😉
      Viele Grüße
      MFF

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