Jüngst las ich die für mich irritierende Aussage, dass Sparen im derzeitigen Niedrigzinsumfeld ohnedies sinnlos wäre. Diese Aussage hat mich regelrecht zu den nachfolgenden Überlegungen “provoziert” 😉

In der Tat hat das von den Notenbanken, insb. der für die Leser dieses Blogs v.a. relevanten EZB, initiierte Niedrigzinsniveau gravierende volkswirtschaftliche Auswirkungen:

  • Die Finanzierung der hoch verschuldeten Staaten wurde durch das Niedrigzinsniveau in Kombination mit Quantitative Easing, also dem großvolumigen Ankauf von Staatsanleihen durch die Notenbanken, deutliche billiger. Für die Bundesrepublik Deutschland kommt es paradoxerweise bei kürzer laufenden Staatsanleihen sogar zu einem netto positiven Geschäft!
  • Die Kreditzinsen für Privathaushalte und Unternehmen sind genauso dramatisch gesunken. Dass die Kreditnachfrage zusehends inelastisch auf weitere Zinssenkungen reagiert, hat allerdings auch dazu geführt, dass kein wesentlich stimulierender Effekt von den niedrigen Zinsen ausgeht!
  • Sparzinsen sind de facto auf null gesunken, in manchen Fällen werden sogar Verwahrungsgebühren oder bei größeren Veranlagungssummen Negativzinsen verrechnet. Insofern mag es natürlich naheliegen, Sparen auf dem Sparkonto derzeit für sinnlos anzusehen…
  • Aus der Kombination niedriger Kredit- und Einlagenzinsen ergibt sich ein strukturelles Problem für Banken. Die Zinsmarge ist in den letzten Jahren massiv gesunken, d.h. letztlich, dass Banken eine deutlich geringer Spanne zwischen Einnahmen (Kreditzinsen) und Ausgaben (Einlagenzinsen) verbleibt, um Betriebs- und Risikokosten abzudecken. Dadurch lassen sich die umfangreichen Kostenreduktionen sowie die Bestrebungen der Banken allerlei Gebühren zu erhöhen, besser verstehen.

Natürlich hat dies auch Auswirkungen auf all jene, die finanzielle Freiheit anstreben. Allerdings würde ich nicht derart radikal vorgehen, dass Sparen/Investieren keinen Sinn mehr hat. Es ergibt sich aber insbesondere das Erfordernis deutliche Anpassungen an historisch sinnvollen Asset Allocations vorzunehmen, nämlich

  • Europäische Staatsanleihen haben in vielen Portfolien eigentlich keinen sinnvollen Platz mehr
  • Als Ersatz für diese Asset-Klassen, werden viele Investoren nach Alternativen insb. bei Dividendenaktien, Anleihen von Schwellenländern, p2p-Krediten oder in Immobilien suchen. Dies kann durchaus mit deutlicher Risikonahme (Fremdwährungsrisiko, Ausfallrisiko, etc.) einhergehen und will daher gut überlegt sein.

Darüber hinaus ist der nominelle Effekt von Zins- und Zinseszins in der Tat nicht mehr so eindrucksvoll, wie er bei hohen Zinssätzen ist. Gleichzeitig erfahren wir gerade neben dem Niedrigzinsumfeld auch Niedriginflationsumfeld, weshalb der reale Effekt nach Inflation nicht dramatischer ist, als er bereits in historischen Phasen hoher Zinsen gekoppelt mit hoher Inflation war.

Natürlich muss sich daher jeder Investor überlegen, wie er auf die derzeitigen Rahmenbedingungen reagiert. Auch bereits historisch fragwürdige Glaubenssätze à la “Sparbuchsparen zum Vermögensaufbau”, “Bausparen für die Kinder, dass sie mal etwas haben”, “mit deutschen Staatsanleihen kann nichts schief gehen” etc. müssen grundlegend überdacht werden. Es besteht also erhöhter Bedarf sich mit Fragestellungen im Bereich personal finance zu beschäftigen, was ich ja explizit mit meinem Blog fördern möchte.

Andererseits bestehen wenige Alternativen sich dem derzeitigen Umfeld zu entziehen. Daher ist mein persönlicher Ansatz, die entsprechenden Weichenstellungen zu treffen und entsprechend zu reagieren. Die Bestrebungen finanzielle Freiheit zu erreichen schon ex ante aufzugeben oder für sinnlos zu erklären, halte ich für verfehlt und auf Grund der weiterhin vollständigen Funktionstüchtigkeit der von mir in anderen Artikeln beschriebenen Methoden auch für inhaltlich falsch.

Wie haben Sie auf das Niedrigzinsniveau als Investor reagiert? Lassen Sie die anderen Leser durch einen Kommentar an Ihren Überlegungen teilhaben!

4 thoughts on “Finanzielle Freiheit trotz des Niedrigzinsumfelds?

  1. Meine kurze Antwort auf deine Frage: Gerade wegen der Niedrigzinsphase will & werde ich die finanzielle Freiheit erreichen 😉

    Die etwas längere Antwort: Aus meiner Sicht wird gerade aufgrund der Niedrigzinsphase der Aktienmarkt nach und nach für immer mehr Leute interessant. Auch diejenigen, die sich bisher kaum bis gar nicht mit Aktien beschäftigt haben, beginnen nun vermehrt damit, da sie eben bei den klassischen Anlagemöglichkeiten keinerlei Zinsen mehr bekommen. Und dass ein steigendes Interesse am Aktienmarkt – gerade in Deutschland -. gut für den Gesamtmarkt und seine Entwicklung (und somit von meinem individuellen Portolio) sein wird, müssen wir wahrscheinlich nicht diskutieren.

    Dass außerdem für Immobilieninvestoren, die Niedrigzinsen eine wunderbare Situation sind, müssen wir wohl gar nicht diskutieren. Wenn doch nur die Preise der Immobilien dazu noch etwas niedriger wären 😉

    Insgesamt denke ich, dass die Niedrigzinsphase nicht daran hindert finanziell frei zu werden – man muss sich ggf. nur etwas mehr bemühen bzw. mehr informieren und um seine Investitionen kümmern. Das Geld einfach am Weltspartag zur Sparkasse zu bringen, wird mit Sicherheit niemanden mehr finanziell frei werden lassen.

    Liebe Grüße
    Marielle von den Beziehungs-Investoren

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    1. Hallo Marielle,
      Danke für Deinen Kommentar – ich finde Du bringst einen sehr interessanten Aspekt auf: Nämlich, dass das Interesse breiterer Bevölkerungsgruppen am Aktienmarkt zu weiteren Kurssteigerungen führen sollte. Ich hoffe allerdings, dass es sich nicht um ein typisches Verhalten spät in einer Blase handelt, nämlich dass Newbies dazustoßen. Besser wäre, wenn die Newbies tatsächlich langfristige Investoren sind, die nicht bei der nächsten Kurskorrektur wieder verkaufen und so eine Baisse verstärken.
      Viele Grüße,
      FF

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  2. Hallo Lucas,
    Ich denke, dass das Niedrigzinsumfeld auch viele Chancen mit sich bringt. Vielleicht beschäftigen sich dann mehr mit dem Thema Geld anlegen und informieren sich selbst über Sparbuchalternativen.
    Ich selbst lege mein Geld an der Börse an und die niedrige Inflation lässt die Wirkung von Zins und Zinseszins auch stärker wirken!

    Liebe Grüße
    Florian

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    1. Hallo Florian,
      Ganz genau – weiter so!
      Angesichts diverser Studien und sogar der Wortmeldung des Gouvereurs der Österreichischen Nationalbank, dass das Sparbuch weiterhin sinnvoll sei, ist aber sicher noch ein gutes Stück Weges zu gehen, bis sich eine sinnvolle Auseinandersetzung mit dem Thema Finanzen und Geldanlage breit macht.
      Viele Grüße,
      Lukas

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